Jetzt hat es den Nachfolger erwischt. Am Rosenmontag fing der Spaß noch ganz karnevalesk an. Benedikt XVI., der "deutsche" Ratzinger-Papst, verkündete seinen größten Wurf und das war spektakulär: Er warf das Handtuch. Am Aschermittwoch war auch den Bayern klar, denn eigentlich war der Papst ein Bayer: es war kein Scherz. Der will wirklich gehen. Am 28.2.2012 soll es aus sein, um 20:00 h. Er wirft den Bettel hin. Hatte er noch vor gut sieben Jahren die Nase vorn vor all den anderen kardinalen Purpurröcken, nun hat er die Nase voll, gestrichen voll. Vielleicht auch die Hosen, wie ja ein Witzblatt nach "Vatileaks" meinte. Offiziell heißt es: Altersgründe! Zu schwach und alt für die Bürde. Für Johannes Paul II. galt das noch nicht. Quasi öffentliches Sterben und Siechtum gehörte zum neuzeitlichen Märtyrertum eines Medienpapstes. Der Neue, sein Nachfolger, honorierte das mit einer Turbo-Seligsprechung, dem Anwärterstatus für Heiligkeit. Heiliger Vater war er eh schon, jetzt, als toter Heiliger Vater also ohne Vater weil beim Vater im Himmel - so gedacht jedenfalls von allerlei Gläubigen. Joseph Aloisius Ratzinger hat sich was Neues einfallen lassen und so ist der Ausgang seines Papsttums scheinbar glücklicher: Er emeritierte. Sedisvakanz: Der Stuhl ist leer - es lebe der Stuhl! Da steige ich gerne noch mal verspätet in die Bütt und halte eine Karnevalsrede über die letzten Pontifaxen und zu Ehren des ersten Petrijüngers von gestern, der heute schon ein Pensionär ist. Und sie treiben es ja wirklich bunt, die Jungs in ihren farbenfrohen Röcken und Kleidern und mit all ihrem Geschmeide. Dafür benötigen sie jedenfalls keine Frauen; die sind da eher mausgrau oder verstecken sich im großen Schwarzen hinter Klostermauern. Seit gestern sitzt der Ex-Papst im Palast der päpstlichen Sommerresidenz, während sie ein kleines intimes Kloster im Vatikan für den Ex-Pontifex und seine Schwesternschar inkl. Privatsekretär zu seiner Bedienung umbauen. Nun kann er im schlichten weißen Gewandt wie ein katholischer Sadhu dann die Nachwirkungen seines allseits als "mutigen Schritt" gelobten Experiments beobachten und genießen. Ihm werden Ehrungen zuteil, die sonst nur dem toten Papst zustoßen, doch da hätte er nichts davon. Allenthalben Lob und Schmeichelei, Anerkennung und Gebete. Und er zahlt nett zurück als "geringster Arbeiter im Weinberg des Herren" - mit Gebeten. Er will seiner Kirche immer nahe sein. Hat er geschafft. Er bleibt im Zentrum zentralistisch papistischer Macht. Bravo, Benedikt! Ja, ein feiner Kerl soll er gewesen sein, sogar als Papst. Das ist er jetzt sozusagen ganz und gar. Nur das. Ein feiner Kerl und ein scharfer Geist mit einer spitzen theologischen Zunge. Ein Theologe als Papst, so rühmt man ihm nach, auch von den Protestanten oder Evangelen. Etwas weltfern gewiss, doch in dieser Art integer und unbeleckt von den Niederungen des Alltags, die bis in den Vatikan und an und in seine engsten Vertrauten reichte. Abscheuliche Abgründe von Intrige, Gemeinheit, Niedrigkeit, Verrat, Ruchlosigkeit. Nicht nur die ganze Schmierenkomödie um den diebischen Buttler ist gemeint. Nein, die mutmaßlichen Hintergründe, die, je mehr sie verdeckt und versteckt werden sollten, nach oben drängten und vor sich hin stanken. Bestechlichkeit im Machtklüngel der Kurie ausgelöst durch schwaches Fleisch alternder Lustknaben mit starker Gier nach Macht, Ansehen und Geld, die feststeckten im schlecht sitzenden zölibatären Keuschheitsgürtel. Aber warum sollten diese vatikanischen Prälaten und hohen Priester und ihre Beamten im Innersten pietätvoller sein, als der Medienzar und Polit-Hasadeur Burlescomi mit seiner Lust auf käufliches jugendliches Frischfleisch? Man lebte doch quasi Tür an Tür in der Ewigen Stadt, die schon den urchristlichen Märtyrern als Sündenbabel galt. Kein Heutiger der politischen oder geistlichen Caesaren-Nachfolger und ihrer Entourage mag sich noch wirklich kasteien. Viele katholische Todsünden sollen sich in den Aufzählungen eines Untersuchungsberichtes dreier Kardinäle finden. Die Purpurträger hatten ihrem Pontifex just vor der Verkündigung seines Altersrücktritts wegen plötzlicher Altersschwäche und -Amtsmüdigkeit die Akten ihrer Investigationen vorgelegt. Der alte Inquisitor, ehemals oberster Glaubensaufseher, wird bei aller Feingeistigkeit bis ins Mark erschrocken gewesen sein: Wollust, Gier, Neid, falsches Zeugnis, Gotteslästerung, Ehebruch, versagte Ehrung gegenüber dem heiligen Vater, den heiligen Eltern, Diebstahl, Verehrung des goldenen Kalbes namens Mammon, Ungehorsam, Trägheit... Nur Mord wird man vielleicht nicht gefunden haben im Sündenregister. Das war starker Tobak. Der Feingeist musste wanken, konnte nicht aufräumen mit eisernem Besen wie einst Jesus, der Nazarener im Tempel, der in einem Wutanfall die Händler mitsamt ihrem Geld aus dem "Haus seines Vaters" warf. Da konnte er nicht anders, der Petrusnacheiferer, überwältigt von der Wirklichkeit des echten Tiber-Sumpfes, über den selbst der Pontifex maximus nichts mehr überbrücken konnte. Ein jüngerer, stärkerer, charismatischerer Besen sollte her. Aber fault diese katholische Kirche, die zahlenmäßig wohl größte Parteiung unter den christlichen Sekten und Kirchen, denn von den Füßen oder nicht eher vom Kopf? Benedikt konnte so wunderbar bei all seiner gelehrten Feingeistigkeit theologische Stachel in die Finger der übrigen religiösen Strömungsführer auf diesem Erdball treiben, um die Mohammedaner, die Juden und die Protestanten gegen sich oder einander aufzubringen. Er meinte es gar nicht bös. Es war seiner intellektuellen Redlichkeit geschuldet. Am Ende fiel ihm dann auch nichts anderes mehr ein, als einen feinen Schlussstrich zu ziehen und als Emeritus die Hände in Unschuld zu waschen. Es ist ihm allgemein zu gute gehalten worden. Wäre er ein normaler Politiker gewesen, wäre seine Tat beispielgebend, auch wenn er nicht die politische Verantwortung übernimmt, sondern alles auf seinen Körper schiebt. Die letzte große Tat blieb er seiner Kirche, seinem Leben, den Analysen aus dem abgründigen Desaster religiös verbrämter Altmännermacht schuldig: Er hätte mit und ein paar Minuten vor seinem Rücktritt unter erstmals sinnvollem Gebrauch seiner gottähnlichen Unfehlbarkeit das Papsttum abschaffen und die Katholiken von einer der ältesten und verstaubtesten Monarchien befreien können. Damit wäre die Blasphemie beseitigt worden, dass da ein Mensch sich zwischen Gott - so wie er dargestellt wird eine menschliche Erfindung - und den einfachen Menschen, den Gläubigen aufstellt und gottähnlich vermittelt und vermakelt, was der Menschheit zum Heil oder der Verdammung gereichen soll. Er hat es nicht getan. Der Mummenschanz geht weiter, den der Benedikt nach seinem freundlichen Kritiker Hans Küng trotz der vom 2. Vatikanischen Konzil geforderten Einfachheit wieder aufgerichtet hat, nicht nur an Karneval. Der Prunk, das Amt, alles geht weiter. Nur seit heute und für nur wenige Tage der "Sedisvakanz", da der letzte Pontifex in Rente ist und der Neue noch nicht bestallt, zieht sich die Schweizer Garde in ihre Gemächer zurück oder macht Urlaub und Idefix darf an die Bäume in den Vatikanischen Gärten pinkeln als glücklicher Zwerg im ewigen Rom. Bald haben sie wieder ein neues Idol, die Papstkirchenanhänger und rufen: "Habemus papam!" Na dann, wohl bekomm's. Und dem Herrn Benedikt wünsche ich ein schönes Altertum mit guter Apanage und freundlichen Aufwärterinnen. Möge er in Frieden altern und sich nicht mehr grämen. Andere müssen versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Wenn das aber nicht geht, weil der Karren aus dem Gleichen ist, wie der Weg? Es geht ihn nichts mehr an. Er wird es im Gebet bedenken. Unfehlbar eingeschlagen hätte es in den anderen Sektenköpfen zur geistlichen Erschütterung und frommen Erbauung, hätte er lebend und amtierend die Tiara nicht niedergelegt und den Fischerring abgezogen, sondern sie zertrümmert und verkündet: nach meinem weisen Ratschluss in göttlicher Umnachtung und autorisiert durch den heiligen Geist gebe ich alle Macht zurück an Gottes Königreich und empfehle den armen, nackten Christus und gütigen Jesusmenschen ohne Schloss und Schatz zur Nachfolge. Amen. Es wäre schön gewesen. Aber Menschen, besonders Menschen der Kirche, lieben die Anhaftung und die Sünde. Und darauf sind sie stolz. Der Stolz der triumphierenden römischen Kirche scheint mir eine der größten Herausforderungen der Zehn Gebote. Es ist nun nicht mehr zu ändern. Die große Chance ist für diesmal wieder vertan. Die kleine Lösung, das war das Markenzeichen des Joseph Ratzinger. Er blieb sich treu. Und damit könnte man auch über ihn sagen: Er hat sich selbst verwirklicht und darf stolz auf sich sein, stolzer, als mancher seiner Priester, seiner Opus-Dei-Leute und seiner treuen Mägde des Herren. Er hat sie gerettet, die "katholische Identität", auf die sich katholische Krankenhäuser berufen, wenn sie einer vergewaltigten Frau in Deutschland die "Pille danach" verweigern. Es gibt sie nicht wirklich, diese Identität. Es gibt eine schale Moral, die sie nachträglich scharf würzen. Das ist der Zeigefinger gegen die Frauen, die die Kirche nur all zu gerne ermahnt in Ermangelung einer Ethik, die den Menschen als Menschen sieht, als Mann und Frau gebildet, gleich gut und gleich berechtigt, gleich heilig und gleich befähigt. Aber das wäre ja human, humanistisch gar. Das können sie nicht, die Katholischen aus Rom. So ist es leider. Darum kann mensch mit ihnen nicht identisch werden, sondern kann sich nur unterscheiden. Und das ist gut so. Der Spaß ist noch nicht vorbei nach Aschermittwoch. Nein, es geht wieder los, die Narretei, es wird dem stupor mundi was geboten!
Michael