Terroristen und Diktatoren wollen eine demokratische Gesellschaftsordnung in Frage stellen. Sie stellen die Macht ihrer Cliquen, ihres Geldes, ihrer Ideologie oder ihr krankes Bild eines Gottes über alle Menschen. Sie glauben, ein authentisches Bild davon zu haben, was wahre Moral, die richtige Gesellschaftsordnung und die wahre Religion ist. Ihre Führer sind ängstliche Schwindler, machtbesessen, ehrsüchtig, perfide. Sie benutzen junge Leute, die auf der Suche nach Ruhm und Bedeutung in einer Welt voll Rivalität, Angst und Verachtung sind. Sie haben keine Ahnung von der Liebe, aber eine Sehnsucht danach. Sie haben eines mit vielen Kindern dieser Welt gemeinsam: sie fühlten sich nicht erwünscht, nicht willkommen, selbst wenn man ihnen wohlfeiles Geld mit einer Fülle von Ansprüchen hinterher geworfen hat, die aber eines ausdrückten: „Wir wollen dich nicht, wie du bist in deinem kleinen, hilflosen Menschsein. Wir wollen dein Schweigen kaufen, dein Wohlverhalten, dein Vergessen, deinen Ehrgeiz, deine Liebe, alles, was du hast. Was du eigentlich bist, das interessiert uns nicht.“
Wenn wir anders sein wollen, als die, die herrschen und kaufen und verkaufen wollen, wenn wir zu unserem Sein vordringen wollen und von einer Möglichkeit einer liebevollen menschlichen Existenz in einer Welt der Konkurrenz und Rivalität, des Neides, der Eifersucht, des Stolzes, müssen wir uns in Frage stellen können, unsere verblendete Lebensart, den ganzen Schein, den wir um unsere Existenz aufbauen und der Angst unserer Lebens- und Todes-angst ist, unser Misstrauen vor der Kraft der Menschlichkeit und der Liebe. Natürlich haben wir auch das Böse in uns, aber nicht nur. Wir haben eben beides und hier fängt unser inneres Bemühen an, den manche als inneren Kampf zu nennen belieben. Es ist ein Ringen um Klarheit, um Selbsterkenntnis und die Infragestellung gehört dazu. Wenn wir das nicht tun und nicht gewohnt sind, uns selbst Fragen zu stellen, unser Bild vom Selbst und unser Ich in Frage zu stellen, überrascht uns die Angst, der Tod und das Leben immer im falschen Augenblick und immer mit mehr oder weniger schrecklichen Begleitumständen.
In gewisser Weise vollziehen wir immer wieder bis zu unserer „Erleuchtung“, unserem leuchtend und klar Werden eine Kulturgeschichte des Menschseins nach, die wohl mit der Entdeckung des bewussten Fühlens und Denkens und mit der Entwicklung der Sprache begonnen hat. Die Umwelt, die Natur begann uns zu ängstigen, nahm sich in unserem wachsenden Vorstellungsvermögen gewaltig aus und die Naturgewalten mit ihren für unser Leben und das Leben unserer Sippe manchmal katastrophalen Auswirkungen begannen uns einzuschüchtern, denn wir nahmen unser Dasein nicht nur einfach so hin und mit ihm den Tod, sondern wir hielten inne, spürten hinein und witterten hinaus, wurden uns unserer Gefühle und Gedanken bewusst und waren fortan damit beschäftigt, unser Dasein zu sichern und ihm einen hintergründigen Sinn abzugewinnen. Das planmäßige Handeln zeigte Folgen für unser Denken über uns selbst, über unsere Existenz. Wenn wir heute die Folgen von Natur- oder aber Kulturkatastrophen spüren, erschüttert sind und darüber nachdenken, vollziehen wir diesen Menschheitsprozess, der schon einige hunderttausend Jahre anhält, in kürzester Zeit nach.
Für Kulturkatastrophen sind wir Menschen kollektiv selbst verantwortlich. Gemeint sind Kriege und Bürgerkriege, feindselige Auseinandersetzungen also, aber auch die Folgen unseres unbedachten Handels für die Ökologie unserer Lebensgrundlage, unserer Erde, die Folgen unseres Raubbaus und der Klimaveränderung durch unsere Art, Boden, Gewässer und Luft mit unserem Abfall und Emissionen unserer industrialisierten Lebensweise zu verschmutzen. Dieser Prozess hat bereits mit den ersten Hochkulturen begonnen und ist seit der Gründung von militärisch geschützten und global Handel treibenden Imperien anscheinend unumkehrbar geworden, sodass sich die Logik dieser Systeme, die auf Despotismus, Sklaverei und Ausbeutung des Menschen durch Menschen für Güter, Land und Geld beruhen, bis heute in unseren Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen vorfinden und sich jede ernstzunehmende Religion an den Folgen der Entmenschlichung, Entseelung und Entweihung unseres Planeten abarbeitet. Manche Religionen oder aber religiös fehlgeleitete Menschen sehen das Heil, das Paradies auf Erden nur durch Gewalt und Diktatur einer Art zu Glauben und zu Denken gewährleistet, doch fast alle, die selbst in den Kulturkreisen dieser religiösen Überzeugungen aufgewachsen sind und tiefer empfinden, ganz in sich hinein sinken und alle Ohnmacht, Sinnlosigkeit und Verzweiflung, die die existentiellen Fragen in uns auslösen können, in sich selbst spüren und in sich selbst Frieden finden lassen wollen wissen, dass genau das Streben nach Macht und Kontrolle, welches eine nicht angenommene und bewältigte Angst her-vorbringt, die Wurzel des Übels ist und nicht dessen Heilung.
Wenn wir nun heute auf dem Zenit übersatter, dekadenter, räuberisch lebender Wohlstandsgesellschaften von deren dunklen Rändern und aus den schon offensichtlich verwüsteten, verkarsteten, verarmten Regionen der Welt mit terroristischer Gewalt angegriffen und das Leben der arglosen, ihre vermeintliche Freiheit nur konsumierenden Bürger in Frage gestellt und scheinbar sinnlos geopfert und zerstört wird, wäre genau das ein äußeres Signal für uns, genau wegen dieser ausgelösten Existenzängste inne zu halten und die Infragestellung unserer Gesellschaftsordnung, sogar unseres Lebens, die auch ohne Terrorangriffe und Kriege permanent aber unbewusst durch unseren eigenen Lebensstil geschieht, bewusst aufzunehmen und uns selbst zu fragen: Wie und für was wollen wir leben? Wollen wir weiterhin ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen vieler Anderer und auf deren Kosten leben, ohne sie gleichberechtigt an diesem Leben und an den Entscheidungen zu beteiligen? Wie halten wir es selbst mit der Angst und mit der Liebe, mit der Kontrolle und mit der Freiheit, mit dem Selbstbetrug und mit der Wahrheit?
Wenn wir den Terrorismus und den Krieg besiegen wollen, müssen wir uns dem unbewussten Schmarotzer in uns selbst zuwenden, dem Unfrieden und der Herzlosigkeit in unserem Denken, der Lebens- und Todesangst, der Lebensgier, dem Hass, dem Neid, der Eifersucht, der Wut. All diese in uns selbst entstehenden Gefühle sind Hinweise auf unsere ungestillten Bedürfnisse. Sie mögen uns als kleine Kinder, unschuldig geboren und mehr oder weniger gewollt und willkommen wie jeder Mörder und jeder Heiliger, verweigert worden sein, doch selbst als Erwachsene weigern wir uns oft, im Denken träge und im Fühlen lau, die Verantwortung für unsere Gefühle und unsere Bedürfnisse zu übernehmen und reagieren mit Rückzug und Verbitterung oder Aggression und Gewalt, wenn andere unser vermeintliches Recht auf ungezügelte (Ersatz-) Befriedigung nicht stillen. Wir müssen uns selbst und unsere Art, unser Leben zu denken und zu führen, in Frage stellen, um eine Lösung für unser Leben und das Leben aller Menschen in Gemeinschaft auf dieser Erde zu finden, die nicht von Gewaltphantasien und bitterem Trotz durchtränkt ist, sondern von Annahme und Verstehen.
Wenn man sich dem Terrorproblem innerhalb der ja nur scheinbar satten, selbstzufriedenen Industrienationen zuwendet, die ja in sich in unterschiedlichste Gruppen zerfallen sind, die sich beneiden und bekämpfen und wo letztlich doch meist jeder selbst der Nächste ist, auch wenn immer wieder großartige Beispiele von Solidarität, Mitgefühl, Nächstenliebe und Mitfreude uns bewegen und aufrütteln, wenn man sich selbst in dieser Gesellschaft und die Gesellschaft des Reichtums neben krasser Armut, der Verschwendung neben innerer und äußerer Not und der Oberflächlichkeit und Sinnentleertheit neben hochtrabenden religiösen und ethischen Staatsphilosophien und Gesellschaftsentwürfen in Frage stellt, kann man interessantes beobachten und immer wieder neue und tiefere Fragen an die eigene Existenz in und außerhalb dieser Gesellschaft stellen und schließlich zu einem Verstehen kommen, dass nicht von vornherein jedes Handel lähmt, aber unkontrollierte, unreflektierte Reflexhandlungen aus unseren unverdauten negativen Gefühlen und unbefriedigten kindlichen Bedürfnissen vermeidet. Solche Fragen möchte ich im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit sammeln.
Wenn wir uns unsere inzwischen recht heterogenen Einwanderungsgesellschaften in den nach außen hin militärisch und wirtschaftlich potenten Industrienationen anschauen, die aus globalen kriegerischen Verwerfungen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts in die heutige Form fanden und bis heute auf die Ausübung von globaler Dominanz und Ausbeutung nicht verzichtet haben, sehen wir im Kleinen ein komplettes Abbild unserer Welt, die der Ausdruck von Getrenntheit und Kampf, Gegensätzlichkeit und Disharmonie ist. Deshalb finden wir das Gute und das Schlechte, das Hoffnungsvolle und das Bedrohliche aus der Welt der Menschen, aus der gesamten Menschheit in unseren Staaten, in unseren Gemeinden, in unseren Familien, in unseren eigenen Köpfen. Deshalb begegnen wir Anderen mindestens mit latentem oder gar unverhohlenem Misstrauen und schon bei kleinen Anzeichen von Missverständnissen mit Ablehnung und Feindschaft und vergleichen uns und andere ständig auf der Suche nach mehr Energie und Anerkennung oder, wenn wir die schon nicht erhalten, auf der Suche nach Beweisen zur Bestätigung unseres engen, einschränkenden Denkens, das uns so etwas wie Sicherheit im bekannten Elend vermitteln soll.
Und selbst wenn die Ursprungsreligion des sogenannten „Christlichen Abendlandes“ in der ihren heiligen Kerntexten, etwa in den Worten der Bergpredigt und anderen Gleichnissen Jesu aus dem Neuen Testament unsere uneingeschränkte Nächstenliebe als von der Gottesliebe nicht zu trennender Haltung einfordert, wollen wir uns zu diesen Einsichten nicht überwinden. Wir wollen keine Gefangenen besuchen und Bereuenden und Büßenden ihre Taten vergeben, um sie vor Bitterkeit, Verhärtung und Radikalisierung zu bewahren, weil wir Angst haben und den Dünkel, im Grunde unseres Herzens besser zu sein, als ein Gewalttäter oder ein Betrüger. Wir lassen zu, dass junge Leute in den Gefängnissen noch schlimmer werden, als zu dem Zeitpunkt ihrer Verurteilung. Wir wollen Fremde nicht wirklich willkommen heißen und ihnen gleiche Rechte und Chancen gewähren. Wir sehen sie als Konkurrenten, die uns etwas wegnehmen wollen, selbst wenn wir persönlich niemals von einem Fremden übervorteilt, bedroht oder bestohlen worden wären. Wir halten Menschen aus uns fremden Kulturen oder anderen Ländern mit anderen Religionen für weniger kultiviert, weniger gebildet, befürchten, sie seien unmoralischer, unaufrichtiger und werten sie ab und uns auf. Wir teilen die Menschen in wertvollere und weniger wertvolle, in nützliche und unnütze ein und halten die innerlich Abgelehnten auch äußerlich auf Abstand, aber nicht aufgrund individueller Erfahrungen mit einem dieser abgelehnten Menschen, was für diesen einen Fall verständlich wäre, sondern aufgrund abstrakter und gleichwohl irrationaler Verallgemeinerungen in unserem angstgeleiteten Denken.
Wie geht es jungen Leuten heute in unseren westlichen Gesellschaften, solchen, die sich in Deutschland als Deutsche oder in Frankreich und Belgien als Franzosen oder Belgier verstehen und solchen, die in zweiter oder gar dritter Generation von Einwanderern, "Gastarbeitern" und Flüchtlingen aus nach dem Zweiten Weltkrieg in Befreiungs- und Bürgerkriegen untergegangenen Kolonialreichen stammen? Ganz allgemein muss man davon ausgehen, dass Jugendliche nach ihrer Kindheit auch zunehmend nach gesellschaftlicher Anerkennung und Aufmerksamkeit streben und eben auch nach Wirksamkeit. Sie wollen keineswegs nur Geld und Wohlstand, auch wenn Ihnen die Eltern und andere Erwachsene ständig suggerieren, dass dieses und Sicherheit letztlich das einzig Erstrebenswerte sind. Sie wollen wahr-genommen werden, ernstgenommen, sehr viele suchen Aufgaben und Bewährungsproben und natürlich Abenteuer und die Liebe ihres Lebens. Ist in unseren Gesellschaften Platz da-für? Diese Gesellschaften erlauben schon den Kindern aus Angst vor Unfällen im Spielzimmer wie im Autoverkehr und Bedenken wegen der unbekümmerten Spiellust der Kinder diesen allenfalls in Computerspielen eine simulierte Bewegungsfreude und Anregung für die Sinne und wundert sich dann, wenn sie im Klassenzimmer über die Stränge schlagen oder spielsüchtig werden und die Schule drangeben oder ihre sozialen Rivalitäten in Internet-Hetzereien austoben.
Wir Erwachsene laden junge Leute, die sich ernsthafte Sorgen über die Nachteile unseres Lebensstils machen, nicht dazu ein, uns, unsere Art zu denken, unseren Lebensstil zu kritisieren und in Frage zu stellen. Wir bauen darauf, dass wir sie umerziehen und kaufen können oder durch Sanktionen in die Schranken weisen. Wenn sie dann zu Hauf böse werden, wundern wir uns und rufen nach Erziehung, Psychiatrie und am Ende Justiz. Vorher probieren wir es individuell mit Pillen, Medizin, sozialer und therapeutischer Gehirnwäsche. Einige aber wenden sich vermeintlich erlösenden Botschaften aus fundamentalistischen Auslegungen diverser religiöser Überzeugungen zu, die einen großen Markt überschwemmen, weil die Bedürftigkeit der Seele und des Geistes nach irgendeiner Art von ethischer Führung und Sinnhaftigkeit in einer kapitalistischen Welt der Ausbeutung, in der dieser Zweck jedes Mittel heiligt, immer mehr zunimmt. Was wir unseren Jugendlichen mitgegeben haben ist allerdings die armselige Einfachheit des Denkens, die alles auf ein paar Schlagworte reduziert oder auf der anderen Seite die Kapitulation vor der Komplexität, weil unsere Denkfaulheit sich über-fordert fühlt. Am schlimmsten aber ist die Achtlosigkeit und Lieblosigkeit, mit der wir trotz aller „Affenliebe“ und Kontrollzwänge ängstlich unseren Nachwuchs umhegen, ohne ihn wirklich so zu wollen und willkommen zu heißen, wie ein Kind in seiner Seele ist: liebebedürftig, empfänglich, neugierig, lebendig.
Unsere Ethik, die wir vorleben und skandieren, gibt den Jugendlichen in Wirklichkeit nichts, das ihre inneren Bedürfnisse befriedigt und zu allem Überfluss haben sie auch immer seltener die Chance, mit diesen Werten in den Gesellschaften und Wirtschaften, die ihre Eltern ihnen übrig lassen, etwas zu werden, auf das ihre Eltern mit Stolz blicken und das den Jugendlichen die Würde und die Anerkennung vermittelt, nach der sie suchen. Wir sind immer noch eine Welt, in der man fleißig, strebsam, lern- und arbeitswillig sein soll, um Wohlstand und Teilhabe zu erreichen. Aber es gibt immer weniger Ausbildungen, Berufe und Arbeitsplätze, mit denen diese Versprechungen für die überwiegende Mehrheit auf Dauer einzulösen sind. Unsere Gesellschaft erlaubt es sich, immer größere Gruppen der Bevölkerung durch Armutsbedrohung zu marginalisieren und gleichzeitig wird an der Ideologie des unbegrenzten Wirtschaftswachstums (auf wessen Kosten?), des ungetrübten Konsums und an dem Glauben an die eigene Erwerbsarbeit als Motor, Sinn und Existenzgarantie für das eigene Sein und das seiner Familie festgehalten. Wie geht es den von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängten Familien und Jugendlichen? Zunehmend oder auch immer schon benachteiligt sind überproportional häufig kinderreiche Familien, alleinerziehende Eltern – zumeist Frauen – mit Kindern, arme Familien, deren „Ernährer“ von Jobs leben müssen, die ihre Existenz kaum sichert und die in zunehmendem Maße oder zum Teil schon seit Generationen von Sozialhilfe leben, Durchschnittsrentner und eben auch Einwandererfamilien.
Selbst bei den Familien, die es zu bescheidenem Wohlstand, zu einem Auskommen ohne staatliche Wohlfahrtsunterstützung gebracht haben, ob sie aus dem Land stammen, im Land geboren sind oder von Einwanderern abstammen, macht sich ein Mangel an Werten jenseits materieller Grundsicherung und materieller Träume breit. Die Jugendlichen glauben zunächst nicht daran, dass Geld in Form bescheidenen Wohlstandes glücklich macht. Sie suchen Anerkennung in ihren Familien, dann außerhalb in ihren Jugendcliquen und schließlich in der Gesellschaft. Welche Mitwirkungsmöglichkeiten haben sie? Wie können sie auf ihre Existenzängste reagieren, die wir ihnen mit unserem System eingeimpft haben? Sie suchen nach Bestätigung durch Taten, nach erlösenden Aktionen. Früher hat man Jugendliche massenhaft in schwere Arbeits- und Kriegsdienste abschieben können, heute halten wir sie in unserem Bildungssystem unmündig und bedeutungslos fest, sortieren sie nach imaginären Leistungen und von ihnen nicht mitbestimmten Kriterien für das nicht mehr einlösbare Versprechen einer goldenen Zukunft für die Besten, während die Welt ausgebeutet und verschmutzt erkennbar in ihren Angeln ächzt und von Armuts- und Verteilungskriegen bedroht wird. Und den modernen Imperien fällt wie den alten nichts Besseres ein, als die alten Parolen, die alte Moral und den jungen Enttäuschten und Hungrigen fällt nichts anderes ein, als Anpassung oder Rebellion, Heilsideologien, Heilsreligionen oder Unterwerfung, Kampf auf Seiten der Macht oder gegen die Macht. Ob nun die Realität, oder die unterhaltsamen Phantasien aus dieser realen Welt, die als „Tribute von Panem“ oder ähnliche Hollywood-Kassenschlager die Welt an ihrem eigenen kranken Denken unterhalten soll, die Ergebnisse erscheinen am Ende immer wieder wie eine düstere Wiederholung und das schon seit einigen tausend Jahren Menschheitsgeschichte.
Fundamentalistische Heilsbringer aller Couleur haben in solchen Krisenzeiten Hochkonjunktur und sind von ihrem Fazit, das sie sowieso nichts zu verlieren und nur alles zu gewinnen haben, regelrecht besoffen, sodass sie die verrücktesten Visionen eines paradiesischen Jenseits, einer alle kindlichen Bedürfnisse befriedigenden Utopie kreieren, um möglichst viele Anhänger in einen berauschenden kollektiven Selbstmord zu verführen, der ihnen erstrebenswerter zu sein scheint, als das langsame Verfaulen in der Vergessenheit und Ohnmacht eigener individueller und sich dann kollektiv vereinigender Ängste. Sie wollen explodieren und das aber nicht alleine. Sie wollen die angstmachende Welt des ihnen Bekannten, die ihnen scheinbar keine Chancen auf Würde, Bedeutung und Ruhm oder gar Liebe und Frieden einräumt, in ihrem Selbstzerstörungsrausch mitnehmen und dann der heldenhafte, märtyrerhafte Beginn einer nie dagewesenen Utopie sein: Frieden und Liebe, doch das in selbstbewusster Größenüberzeugung, in dem sie sich einer angeblich heiligen Sache weihen und einem pervertierten Gottesbild, das alle ihre und auch unsere Ängste und Schrecknisse beinhaltet.
Was also haben wir unserer Jugend anzubieten? Welche Welt überlassen wir Ihnen? Was ist die Botschaft, die von unserem Leben ausgeht? Haben wir uns immer klaglos angepasst und sind krumm, krank und langweilig geworden, zwar satt aber immer noch ängstlich, frei aber nur an irgendeiner Form von Konsum von Urlaub bis Fernsehen interessiert? Wieviel Zeit widmen wir unserem Nachwuchs? Sind wir offen für Fragen? Lassen wir uns in Frage stellen? Reagieren wir auf offensichtliche Fehler unserer Kinder und Jugendlichen mit Verständnis und Aufmunterung, oder mit Kritik, Kontrolle, Anpassungsforderungen? Sind wir Vorbilder des Glaubens an Menschlichkeit und wohlwollender Gerechtigkeit, sind wir dabei nachdenklich, besonnen und gefühlvoll oder schnell im Urteil, barsch und selbstgerecht? Stimmt unsere Moral noch, leben wir unsere Werte? Was können wir uns in einer Welt knapper werdender Ressourcen und zunehmender Umweltkatastrophen noch erarbeiten? Kann eine Menschheit ökonomisch um jeden Preis wachsen oder muss sie ökologisch radikal umdenken, wenn wir überleben wollen und zwar in einer Kultur und nicht als vertriebene Horden aus Kriegs- und Armutsflüchtlinge, die vor Dürre, Hunger, Durst, Gewalt und Naturkatastrophen weichen müssen. Haben wir ein Gefühl dafür, in einem Boot zu sein, das nicht nur vom Meer bedroht ist, sondern mehr noch von Zwietracht an Bord? Wollen wir gemeinsam einen Hafen finden, oder uns gegenseitig über Bord werfen? Unsere Kinder sind anfangs oft noch mitfühlender, als verbitterte Erwachsene, unsere Jugendlichen würden gern mehr neue Wege gehen, als wir ihnen zutrauen und doch erben sie auch unsere Ängste, Unsicherheiten, inneren Verbote. Wir müssen mit ihnen sprechen, aber anders, als in der alten Form.
Die alte Form ist, dass wir in dieser Generation die Chancen der nächsten Generation schmälern, uns aber über die Unreife und wilde Tatkraft der Jungen bescheren und sie be-grenzen wollen. Was bleibt ihnen anderes übrig, als uns herauszufordern und, wenn sie sich am Ende mit unserem Pessimismus identifizieren, der als Antwort nur repressive Gewalt kennt, sich, das Alte und den Glauben an eine reale Zukunft so in Frage zu stellen, dass ein globales Selbstmordattentat als Fanal zugunsten einer imaginären paradiesischen Utopie bei irgendeinem neuen Gott jenseits des Mammons als einzige Alternative in Frage kommt. Die mächtige oder maßgebliche Generation einer Gesellschaft hat immer schon ihre jungen Re-bellen, Revolutionäre und heutzutage auch Terroristen hervor gebracht. Sie kommen von uns und aus unserer Mitte. Sie bedrohen unsere Werte, an die wir selbst nicht mehr glauben, die wir nur kaufen, verkaufen, konsumieren. Arme jugendliche und auch junge Eliteschüler wollen nicht nur Coca Cola trinken und Ego-Shooter spielen oder via Smartphone mit der Welt kommunizieren. Diese „westlichen Werte“ genügen nicht für ein Leben in Würde und als Antwort auf die globalen Fragen unseres Zusammenlebens und des ökologischen Überlebens. Stellen wir uns radikal in Frage, uns, unsere Haltungen und Werte, um zu überleben, nicht um den all zu simplen Ausweg in irgendeiner Form von kollektivem Selbstmord zu sehen. Jeder kann dazu ein wenig beitragen. Jeder Mensch hat auch das Potential, eine wichtige Aufgabe an Bord des Menschheitsschiffes auf dem Weg durch dass Universum auszufüllen. Wo soll es hingehen? Was ist der Sinn unserer Existenz? Welche Erfahrungen benötigen wir, um zu uns und zueinander zu kommen, um uns wahrzunehmen und uns aneinander zu freuen?