Wer nach der Wahrheit sucht, beginne in seinem Herzen, suche die Herzen der Anderen und gehe wieder in sein Herz. Wer damit zufrieden ist,
irgendeine "Wahrheit" zu finden, wende sich an irgendeine der äußeren Religionen, auch wenn sie heute am Ende einer Geschichte des Blutvergießens um den vorgeblichen "rechten Weg" stehen. Die äußeren Religionen behaupten in der Regel, einen, nein,
den Weg zur Wahrheit zu wissen. Man müsse ihnen nur glauben und Demjenigen, den sie als ihren Gott konstruieren, wobei sie ihre Gebote, dass kein Bild, keine Beschreibung dem Göttlichen nahe kommen kann, leicht vergessen.
Eine äußere Religion strebt nach Gläubigen, nach Anhängern, nach Macht, nach Wissen, diese Macht zu vervollständigen. Sie verkündet den Frieden unter der Bedingung, dass alle dieser alleinseligmachenden Religion angehören und missioniert für diese vermeintliche "Wahheit". Bis dahin rufen sie im Namen ihrer Religion und ihres Gottes die Gläubigen zu den geistigen und materiellen Waffen, um ihre Wahrheiten in "heiligen Kriegen" und "Kreuzzügen" über die Welt zu verbreiten und auszutilgen oder zu versklaven, wer nach seiner eigenen Wahrheit leben will.
Doch die Wahrheit beginnt innen und endet innen. Was dort nicht wahr ist, kann außen nicht wahr sein. Wenn äußere Religionen vorgeben, Liebe, Geduld, Gerechtigkeit und Frieden zu suchen, aber ihre "heiligen Bücher" und ihre Propheten seit vielen Hunderten Jahren ohne jeden Kommentar, ohne Reform und Zurücknahme die Notwendigkeit des Kampfes gegen Andersgläubige, des Krieges für die Religion, der Bestrafung selbstständigen Denkens und eigener Gewissensentscheidungen verkünden, sind diese Religionen ein Übel, denn sie verbrennen Menschen für ihre falschen Bücher. Und solche Bücher sind nicht heilig sondern Geschichtsbücher, die, wenn sie zu Gottes Wort erklärt werden, das man dem Buchstaben getreu umzusetzen habe, zum Ärgernis werden. Solche Bücher geben falsches Zeugnis von der Wahrheit.
"Heilige Bücher", die Tod fordern, Strenge verherrlichen, zu Krieg und Vergeltung aufrufen, den Zwang und den Terror im Namen einer Religion und einer Verkündigung predigen, sind keine heiligen Bücher, sie sind ein Übel, ein Ärgernis, wenn sie zur Handlungsanweisung erklärt werden. Doch niemand aus der Reihe der Gläubigen hat den Mut, sie von ihren "satanischen Versen" zu reinigen und zu erklären, dass diese Parolen des Krieges und der Intoleranz aus der Zeit der Beduinenkriege, der Stammesraubzüge oder sogar aus dem Kampf der bronze- und eisenzeitlichen Stadtstaaten des nahen Ostens stammen, als es üblich war, seine Feinde zu vernichten, zu verstümmeln, zu vergewaltigen, zu versklaven, so wie es heute z.B. wieder in Afrika im Namen der Religion passiert, oder auch in Asien.
Diese Sätze passen nicht in eine Zeit, die die Reformatoren gehört und die Aufklärung gesehen hat, die das Gewissen erkundet und die Psychologie entdeckt hat, die die Solidarität einer Gesellschaft auf rationale Gründe gestellt hat und die Freiheit des Individuums mit den Bedürfnissen der Gemeinschaft zu einem gerechten Ausgleich führen will. Prophetensätze, die den Dünkel der Auserwähltheit und die Selbstgerechtigkeit, die Dummheit des kleingeistigen Nachbetens vor der Auszeichnung des selbstständigen Denkens, die Bequemlichkeit des Anhängertums vor der Herausforderung des eigenen Gewissens befördern, können keine demokratische, freiheitliche Gesellschaft fördern und den Konsens unter Menschen und Kulturen wollen.
Dennoch finden sich gerade heute, in der Moderne, nach Reformation, nach moralisch gescheiterten Religionskriegen, die kluge Leute analysiert haben, nach Aufklärung, Entdeckung der religionsungebundenen Vernunft und der humanistischen Ethik, nach sozialen Revolutionen und Wiederentdeckung der demokratischen Staatsform erneute heftige Verwerfungen und ein Kampf der Gegensätze, in dem Menschen bereit sind, sich im Namen des vorgeblich Guten zu Schurken zu verwandeln. Wer aber im Namen einer Religion und im Auftrag eines Gottes tötet, Krieg führt, vertreibt, vergewaltigt, steht moralisch auf der Stufe eines Verbrechers, ist jedoch gefährlicher als dieser, da seine Verblendung, mit der er sich zum Auserwählten erklärt, wie eine unheilbare Geisteskrankheit jede Möglichkeit der Einsicht verhindert. Religionen, die diese Verwandlungen von Menschen in Ungeheuer bewirken können, sind keine Heilslehren, sondern selbst Geisteskrankheiten.
In der Tat haftet Religionn, die zwischen ihren Ansprüchen, die Welt zu erklären und Frieden und Gerechtigkeit herbeizuführen sowie ihrer immanenten Gewalttätigkeit und Unduldsamkeit zersplittert sind, eine Form der Krankhaftigkeit wie bei einer schizophrenen Geisteskrankheit an. Tatsächlich erkennen Menschen, deren Geist, Seele und Körper gespalten, zersplittert sind, viel Wahres, halten aber aus Angst die Spaltung aufrecht oder führen sie herbei. Es bedeutet einen großen Wurf, dies zu überwinden und ganzheitlich, umfassend, transzendent zu werden. Das gelingt den äußeren Religionen nicht, sondern allenfalls von diesen ausgehend den einzelnen Mystikern, die den Hütern der äußeren Dogmen, den Hohepriestern darum immer suspekt bleiben. Nur Diejenigen, die die Wiedersprüche sehen, verstehen, erleiden und erdulden und in einem großen Wurf mittels Transzendenz liebevoll ins sich vereinigen können und nicht das eine oder andere Extrem in seiner abartigen Einseitigkeit im Werk und in der Gesellschaft herzustellen und damit auszuagieren versuchen, können dem Frieden dienen. Diese Menschen nehmen "wahr", sie beobachten, ohne zu urteilen, sie handeln frisch und neu ihne Vergleich mit der Tradition, deren Verführung sie verneinen.
Wären diese zersplitterten und für sich unfähigen, leidvollen und leidschaffenden Religionen Opium für das Volk, wie Marxisten einst argwöhnten, sodass sie eine materialistische Religion schaffen wollten, wäre genau dieses besser für die Menschheit, da sie sich ihre Anhänger in ihrer schweren, glückseligen Trägheit nur selbst behindern würden, statt anderen die Kehle durchzuschneiden. Aber leider wird die eine oder andere Religion mancherorts und sogar in unseren Innenstädten, den Megacitys der Moderne, zum Killerkokain, das die Fehlgeleiteten zum Morden, Vergewaltigen und zur Brandstifung aufputscht und sie sogar so um den Verstand bringt, dass sie glauben, sie müssten sich selbst für ihre "heiligen Bücher" und ihre Abgötter, deren Bilder sie in ihrer finsteren selbstgerechten Phantasie schmieden und für ihre faschistoiden Ideologien in die Luft sprengen, zusammen mit vielen "Ungläubigen".
Ist also die Religion nicht mit Intelligenz und Bildung, mit Friedfertigkeit des Herzens und wohlwollender Freundlichkeit durchtränkt, jedermann freundlich und hilfreich zu begegnen, woran immer er glaubt, kann sie am Ende nur fanatisch und böse, dumm und gefährlich werden in der Hand und in der Auslegung der Ungebildeten, der zu kurz Gekommenen und ihrer intellektuellen Agitatoren und Schriftausleger, der Hetzer gegen die Menschlichkeit und gegen die innere Wahrheit, dass wir nämlich alle eins sind. Hunderte von modernen Konflikten auf der Erde, bei denen Religion und Konfession eine Rolle spielen und blutig mit dem Gegner abgerechnet wird, sprechen eine grausame Sprache. Die innere Wahrheit des Herzens sucht man hier vergebens. Man findet Zerstörung und Intoleranz.
Aus diesem Grunde kann eine äußere Gesellschaftsordnung auch nicht auf einer äußeren Religion beruhen, wenn Friedfertigkeit und Wohlergehen für Alle in tolerantem Respekt vor dem Anderen ein Zweck einer solchen Gesellschaft sein soll. Schon daran scheitern die Religionen, mit einem Teil ihrer Gebote innere Friedfertigkeit bei den Gläubigen herzustellen. Ein Gottesstaat, so wie bestimmte Menschen nach den Interpretationen ihrer "heiligen Schriften" ihn sich vorstellen, wird immer im Streit mit der Idee von einem Staat der Menschen liegen, Menschen die ihre Geschicke miteinander aushandeln und nicht von einer äußeren Religion und ihrer veräußerlichten Macht der gottesfürchtigen Diktatoren bestimmen lassen wollen, Menschen, die sich als freie Individuen zum Gemeinwohl finden und nicht durch gewalttätige Gebote einer irrationalen höchsten Macht zwingen lassen wollen.
Eine Gesellschaft, die es sich leisten kann, vom Staat geförderten Religionsunterricht erteilen zu lassen, in denen die Intoleranz und Gemeinheit gepredigt wird und Gehorsam gegenüber Sätzen "heiliger Schriften" gefordert wird, die Unterdrückung, Glaubenskrieg, Rache und Bestrafung für Andersgläubige oder Diejenigen fordert, die sich von der Diktatur dieser Worte und ihrer Ausleger abkehren möchten, muss sehr stark und enorm gefestigt, oder aber sehr dumm und naiv sein. Und auch wenn nur eine Moral gelehrt und in den Tendenzbetrieben der Religionsgemeinschaften von den Angestellten gefordert werden darf, die der Glaubens- und Gewissensfreiheit entgegenstehen, gräbt sich eine aufgeklärte, demokratische Gesellschaft kampflos ihr eigenes Grab.
Auch wenn das allein noch niemanden gut und friedfertig werden lässt: es darf um Wahrheiten gerungen und mit friedlichen Mitteln gestritten werden. Das ist die Errungenschaft eines demokratischen Gemeinwesens der Bürger nach Reformation, Aufklärung und Revolution. Wer eine andere Gesellschaft will, will wieder zurück zu den Stammeskriegen, in den Busch oder in die Wüste oder glaubt, noch einen unendlichen Lebensraum in Prärie, Taiga und Tundra zu finden, wo sich Menschen unterschiedlichen Denkens und Glaubens aus dem Wege gehen und so koexistieren können. Wer eine andere Gesellschaft will, will den Kampf der Kulturen, will die Diktatur einer einzigen Wahrheit, will die Versklavung in Götzenstaaten oder gar unter einer Weltherrschaft eines sinistren Glaubens, der sich als genügend durchsetzungsmächtig weil gewalttätig erwiesen hat.
Die Götzen haben heute sehr viele Namen, aber sie entsprechen nicht einem gütigen, gerechten
und liebenden Gott, der für Männer und Frauen, Kinder und Erwachsene, Schwarze und Weiße, Inländer und Ausländer genauso akzeptabel sein kann, weil er sich Niemandem aufzwingt und sich von keiner autoritären Definition seiner angeblichen Stellvertreter zwingen lässt. Die Götzen kommen auch in der säkularen modernen Welt durch die Hintertür wieder herein, während die Fundamentalisten aller Couleur mit ihren Glaubenspamphleten an den Toren der toleranten Gesellschaft demonstrieren. Die Götzen heißen in der aufgeklärten Welt manchmal Wissenschaft, Kapitalismus, Wachstum, Macht, Militär usw. Diese Götzen haben Wurzeln und diese Wurzeln sind tief in uns verborgen, in unseren Eltern, in deren Eltern.
Diese Götzen haben nämlich auch psychologische Ursprünge und Bedeutung. Sie, die wir uns in Jahrtausenden kollektiver Furcht und unhinterfragbaren Gehorsams geschaffen haben und von denen wir behaupten, dass diese die Menschen nach ihrem Bilde geschaffen aber auch verboten haben, ihnen ähnlich und gleich mächtig zu werden, sind die Verkörperungen unserer strengen, lieblosen und dennoch ständig sehnsüchtig begehrten verinnerlichten Elternbilder, die Urautoritäten, die soviel von uns wollten und gleichzeitig so wenig von uns wussten und wissen wollten. Der Gott, der nicht zuhört, der tut, was ihm beliebt, der gnädig gestimmt werden und dem man gefallen muss, der straft, tötet, vernachlässigt oder ganz nach Belieben bei heiligen Eifer belohnt, ist nichts anderes als der ferne, unbeugsame Vater und die ihre Kinder gebärende und auch wieder mit "Liebe" auffressende Mutter. Solche Autoritäten haben die Mächtigen zu allen Zeiten zusammen mit dem Vierten Gebot, nach dem man die Eltern ehren soll, egal, was sie taten, ersonnen, um ihre zumeist patriarchale Herrschaft mit der Macht einer Religion zu festigen.
Die Folgen dieser psychologischen Versklavung unseres inneren Selbst unter bestimmte religiöse Gottesbilder sind bis heute im kollektiven Handeln der Gesellschaften abgebildet: Die weltweiten wirtschaftlichen und militärischen Demonstrationen von säkularisierter Macht der modernen Industriegesellschaften, die sich oft als pluralistisch und demokratisch definieren, können ebenfalls gnadenlos sein und geben den Verlierern und Habenichtsen der Weltgemeinschaft, den zu kurz Gekommenen und von ungerechten Wirtschaftssystemen Ausgebeuteten den Vorwand, populistisch aufgepeitscht von ihren Führern, im Namen ihrer selbstgerechten Religionen Mord und Rache anzukündigen und Höllenqualen zu versprechen, um vorgeblich für eine äußere und innere Gerechtigkeit zu kämpfen, die sie damit aber weder bekommen, noch in den Territorien einführen, in denen ihr Terrorregime erfolgreich war.
Der Fundamentalismus ist eine Reaktion Derjenigen, die glauben, Opfer zu sein und sich rächen möchten, Derjenigen, die meinen, die Wahrheit zu kennen, denen aber nicht überall geglaubt wird, Derjenigen, die meinen, ohnmächtig und unbedeutend zu sein und das mit Gewalt ändern wollen, Derjenigen, die sich im Elend wähnen und es angemessen finden, ein irdisches Paradies auf den Knochen ihrer zu Feinden erklärten Mitmenschen zu errichten, Derjenigen, die von ihren einheimischen und ausländischen Herrschern in langen Zeiträumen verführt und belogen worden sind und meinen, sie wären andere und bessere Menschen, wenn sie selbst und der fundamentalistische Pöbel an die Macht kämen.
Waren mentale Konzepte, die sich in religiösen Ritualen und spirituellen Praktiken äußerten, in grauer Vorzeit Hilfen beim Überleben der Menschheit und spätestens seit der Antike kulturstiftend, so sind sie jetzt oft ein anachronistisches Ärgernis und eine Gefahr für Menschen, Kulturen und den Planeten geworden, wenn man die Überlieferungen nicht von dem bluttriefenden Ballast ihrer Geschichte reinigt. Gereinigt oder mit erklärenden Kommentaren versehen, die die giftigen Sätze entschärfen und in ihr rechtes, historisch verstehbares Licht setzen, könnten die religiösen Aussagen, die der Völkerverständigung und dem Frieden dienen, der Menschheit als ethisches Vorbild erhalten bleiben, während jeder Einzelne Kraft seines persönlichen Glaubens zur mystischen Erleuchtung in das pfadlose Land der Wahrheit streben mag, um sich mit dem Sufi-Mystiker
Rumi zu treffen, der sagte: "Jenseits von richtig und falsch ist ein Ort, da könnten wir einander begegnen."
"Die Wahrheit ist ein pfadloses Land", sagte der indische Philosoph
Jiddu Krishnamurti und riet davon ab, sich einer äußeren Religion und ihren Glaubenswahrheiten zu unterwerfen oder jemandem nachzufolgen. Die Wahrheit lässt sich nicht durch Gesetze und Dogmen bestimmen und einschränken. Wer das sagt, lügt. Religionen haben im Zeitalter des Kampfes der Menschen mit ihren Mitmenschen, mit anderen Kulturen, mit ihrer mehr oder weniger feindlichen Umwelt Orientierung, einst Richtung, Wegweisung und Sinn gegeben. Es ging um das Überleben auf Kosten anderer. Die wenigen essenziellen Wahrheiten, die überlieferungswert und allgemeingültig sind, lassen sich in wenigen kurzen Regeln, Empfehlungen, zusammenfassen, die bei den Eifersüchtigen, Missgünstigen und Rechthaberischen unter den Menschen sofort den Namen "Gebote", "Gesetze" oder "Dogmen" bekommen haben.
Diese allgemeingültigen Empfehlungen sind: Finde die Weisheit, den Fängen der Gier und dem Hochmut der Verachtung zu entkommen. Aus dieser Weisheit handele bewusst hinsichtlich Deiner Absichten und der Folgen Deines Handelns. Sei gut zu Dir und genauso zu Deinem Nächsten. Tue ihm nichts, was Du nicht erleiden möchtest. Töte, stehle, und verleumde nicht, sondern sei gütig und rechtschaffend und achte Deine Umwelt. Verkleinere die Liebe nicht durch Dein ungenaues Gottesbild und führe nicht den Namen des Höchsten im Mund, um etwas zu rechtfertigen, was nicht von Herzen kommt. Wer nach der Wahrheit sucht, beginne in seinem Herzen, suche die Herzen der Anderen und gehe wieder in sein Herz. Wer nach der Wahrheit sucht, lasse alle Sicherheit und alles Wissen hinter sich.
Michael