Gesetzlich versicherte Kassenpatienten müssen seit 2004 ab dem 18. Lebensjahr in Deutschland beim ersten Praxisbesuch und auch bei einer Notfallbehandlung im jeweiligen Quartal eine
Praxisgebühr von 10 in bar bezahlen. Dies betrifft auch die zahnärztliche und die psychotherapeutische Behandlung. Wer in jedem Quartal einen Arzt- oder Therapeutenbesuch machen muss, zahlt 40 im Jahr aus seiner Tasche, ob er nun arm oder reich ist, Hartz-IV-Empfänger oder leitender Angestellter, Rentner oder Hausfrau. Die privat Versicherten zahlen nichts zusätzlich. Mit dieser Schreckprämie wollten die Krankenkassen ihre Mitglieder daran hindern, "unnötige Arztbesuche" vorzunehmen. Die meisten Menschen dürften Besseres zu tun haben, als in miefigen, überfüllten Wartezimmern von Arztpraxen neben Hustern und Schniefern stundenlang auf den berühmt-berüchtigten Fünfminutentermin zu warten. Wer aber eine regelmäßige Behandlung etwa beim Psychotherapeuten benötigt, die erfahrungsgemäß über ein Jahr und mehr gehen kann, hat keine Wahl und kann kein Quartal ausfallen lassen. Er ist immer dran. Erwartungsgemäß blieb daher auch jeder Steuerungseffekt aus, die Leute gingen nicht weniger zum Arzt, außer vielleicht die ganz Armen und die werden auch unverhältnismäßig von dieser
unsozialen Regel getroffen. Die gesetzlichen Kassen nehmen dafür nebenbei 2 Milliarden pro Jahr mehr ein und die Ärzte und deren Praxispersonal stöhnen über die zusätzliche nicht vergütete Bürokratieleistung für Politik und Krankenkassen, die sie unzufrieden sein lässt und noch mehr ihrer Zeit beansprucht, die der Patientenversorgung gehört. Daher hagelt es immer mehr
Kritik und darum fordern jetzt immer mehr die Abschaffung dieses Undings: Patienten, Ärzte und außer der CDU/CSU und den Krankenkassen die meisten Parteien, sogar die Regierungspartei FDP und von der Opposition die SPD, die damals in der großen Koalition an der Einführung mitgewirkt hat. Die Praxisgebühr ist dabei nur ein Teil eines unsozialen Zuzahlungssystems, das Ärmere benachteiligt und keinerlei Steuerungseffekt auf die allgemeine Inanspruchnahme von Leistungen gezeigt hat. So müssen Versicherte seit Jahren Zuzahlungen für rezeptierte Arzneimittel in der Apotheke leisten oder für im Krankenhaus verbrachte Tage. Die Befreiungsmöglichkeiten von der Zuzahlungspflicht sind nicht für jeden leicht durchschaubar, bürokratisch und werden oft als stigmatisierend empfunden, denn sie bedeuten, sich als chronisch krank und medikamentenabhängig bzw. arm zu deklarieren und auch zu empfinden.
Michael